In meinen ersten Berufsjahren war ich eine Zeitlang als Repräsentantin für Weingüter im Außendienst unterwegs, um den Absatz zu steigern und um neue Kunden zu gewinnen. Ich erstellte mir eine Liste mit potenziellen Kandidaten, packte Preislisten und Muster ins Auto, klapperte Händler und Gastronomen der Reihe nach ab.
Aus Angst, deren Zeit zu verschwenden, kam ich sofort zur Sache, sprach über Weine, Konditionen – und ging mit der Ankündigung, mich in ein paar Tagen wieder zu melden. Als ich später anrief, konnten sich viele zwar noch an mich, aber beim besten Willen nicht mehr an die Weingüter erinnern, in deren Auftrag ich handelte.
Was hatte ich falsch gemacht?
Ganz einfach: Ich habe Fakten vermittelt, aber keine Geschichte erzählt.
Als ich das kapierte, nahm ich beim nächsten Besuch meinen Gesprächspartner gedanklich mit auf die Reise – ins Weingut, indem ich ihm von der gerade eingebrachten Lese erzählte oder machte ihm den Mund wässrig, indem ich schwärmte, wie gut doch dieser Wein zum Abendessen neulich gepasst hat.
Von diesem Moment an lief das Geschäft. Nicht, weil die Weine besser gewesen wären als die der Konkurrenz. Der Händler erzählte meine Geschichten einfach weiter an seine Kunden, die so begeistert waren, dass sie immer wieder kamen.
Fakten mit Geschichten anreichern
Menschen lieben Geschichten. Und die meisten von uns erzählen selbst jeden Tag Geschichten. Den Verwandten bei der Familienfeier, in der Kaffeeküche den Kollegen, beim Außendienstbesuch den Kunden oder dem Nachbarn am Zaun. Die beginnen oft so: „Heute habe ich etwas erlebt, dass …“ oder „Haben Sie das von XY schon gehört, das ist ja unglaublich …“.
Je emotionaler, desto länger bleibt die Geschichte haften, auch bei dem, der sie erzählt. Immer wieder. Jeder Mensch hat so eine Sammlung von Anekdoten, die er gern zum Besten gibt. Reale Geschichten, die sich meist genauso zugetragen haben. Egal, ob es dabei um das schon wieder kaputte Auto geht, den letzten Urlaub, den Ex, der sich als Stalker entpuppt oder um Probleme mit dem neuen Lieferanten.
Selbst Gerüchte verbreiten ist nichts anders als Geschichten erzählen, wenn auch mit anderer Absicht. An ihrer Wirkung ändert das nichts – Menschen interessieren sich für andere Menschen, aus Voyeurismus genauso wie bei echter Anteilnahme.
Beim Blick in die Pressemitteilungen, die täglich im Posteingang landen, reibt man sich aber nicht selten die Augen. Erstaunlich, wie dieselben Menschen ihre Geschichte einem Journalisten erzählen. Während sie nicht im Traum auf die Idee kämen, ihren Freunden von neuen Benchmark-Standards zu erzählen, der Einführung eines neuen Kassensystems oder davon, dass das Sortiment nun mehr als 3000 Artikel umfasst, glauben sie, dass andere Leute genau das in der Zeitung lesen wollen.
Journalisten schreiben nach dem Muster eines packenden Hollywood-Films – mit einem Unterschied
Journalisten sind professionelle Storyteller. Je eher man versteht, wie Geschichten wirken und welche Art die meisten Menschen begeistert, desto größer ist die Chance, dass der Redakteur die Story aufgreift und über das Unternehmen berichtet.
Was beinhaltet eine gute Geschichte, die Zuhörer oder Leser mitreißt?
Klassisches Storytelling kennt man aus Filmen, wo der Held mit einem Problem oder Kontrahenten konfrontiert wird, dieses löst und am Ende als Sieger dasteht.
Übertragen auf die Unternehmenskommunikation sieht so eine Heldenreise grob skizziert so aus:
Am Anfang steht eine Idee, ein Produkt, ein Ereignis. Als nächstes entstehen Zweifel von innen oder außen, etwas läuft schief, Probleme tauchen auf, die ganze Sache droht zu kippen. Der Protagonist versucht, das Problem zu lösen. Am Ende wird alles gut.
Redakteure schreiben ihre Geschichten exakt nach diesem Muster – mit einem signifikanten Unterschied: der Endzustand ist ihnen nicht wichtig. Nicht was dem Unternehmen oder der Person gelungen ist, interessiert sie (und damit die Leser), sondern das Wie und Warum. Wie hat jemand das Ruder herum gerissen? Wie hat es jemand geschafft, gegen alle Widerstände seine Idee durchzusetzen? Wie kam jemand auf diesen außergewöhnlichen Einfall?
Selten wird ein Journalist über die komplette Entwicklung berichten, er greift sich einfach den spannendsten Teil heraus. Deshalb ist es so wichtig, ihm diesen Stoff zu liefern. Keinesfalls muss der „Knackpunkt“ in der Heldenreise auch immer negativ besetzt sein, nur außergewöhnlich, jenseits der Norm, das schon.
Ein K.o.-Kriterium für eine Pressemitteilung ist: Marketingsprache. Wenn ausschließlich von den großen Erfolgen die Rede ist, die das Unternehmen einfährt. Diese Geschichten à la ‚Sind-wir-nicht-toll’ oder ‚Wir-haben-eine-Auszeichnung-erhalten’, von der die meisten noch nie gehört haben, wandern leider meist direkt in den Papierkorb.
Bruchstellen statt Hochglanzfassaden
Wer Journalisten für seine Geschichten interessieren möchte, muss den Fokus auf die „Bruchstellen“ legen anstelle der auf Hochglanz polierten Fassade. Damit ist nicht gemeint, von Dingen zu erzählen, die nicht gut laufen, sondern darüber, was man anders macht als die Mitbewerber – und warum.
Eine gute Geschichte lebt von Charakteren, die sie lebendig machen. Das kann der Geschäftsführer sein, die Mitarbeiter, Partner oder Kunden. Ein Produkt kann noch so gut, einzigartig, revolutionär sein, eine spannende Story wird daraus erst, wenn der Leser erfährt: Wie ist es entstanden? Was bewirkt es bei anderen Menschen? Tut man vielleicht sogar Gutes, wenn man dieses Produkt kauft?
Eine Geschichte ohne Helden ist eindimensional. Journalisten werden sie nicht schreiben, weil ihre Leser sie nicht lesen wollen. Ganz einfach.
Wenn es „menschelt“ schon. Über die junge Frau, die sich selbständig gemacht hat, weil nach der Babypause ihr alter Job nicht mit familienfreundlichen Arbeitszeiten vereinbar war. Deren Eltern anfangs mit anpackten und wie sie sich durchgebissen hat, um eine erfolgreiche Unternehmerin zu werden – solche Erfolgsgeschichten kommen an. Weil man sich mit dem Held identifizieren kann. Hey, das ist eine von uns. Die mit denselben Alltagstücken zu kämpfen hat, wie jeder andere auch.
3 Faktoren, mit denen es deine Geschichte in die Presse schafft
Um deine Geschichte in die Medien zu bringen, braucht es im Wesentlichen drei Faktoren:
– eine Idee, einen Anlass oder eine Situation, die etwas ins Rollen gebracht hat
– einen oder mehrere Protagonisten und
– ein Ziel und wie dieses erreicht wurde (am besten gegen alle Zweifel und Widerstände).
Diese Fragen helfen vor dem nächsten Kontakt mit einem Journalisten:
– Würden andere diese Geschichte weitererzählen?
– Geht es um etwas, was andere Menschen im Moment ebenfalls betrifft, worüber sie sich Sorgen machen oder diskutieren?
– Hat die Geschichte eventuell sogar das Potenzial einer Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Story, die anderen Mut machen soll?
– Oder ist es eine professionelle Variante einer Anekdote über den jährlichen Frühjahrsputz?
Wenn letzteres der Fall ist, solltest du noch mal drüber nachdenken.